Diese Geschichte habe ich im Deutschunterricht geschrieben.
Wir hatten das Thema Kurzgeschichten und jeder hat einen Zettel bekommen auf dem ein Satz stand.
Wir sollten dann dazu eine Geschichte schreiben ...
(wir mussten uns nicht ganz haargenau auf den Satz beziehen ... und er musste auch nicht in unserer Geschichte vorkommen - doch sollte es etwas mit dem Satz zu tun haben)
Joa, mein Satz lautete: Ich höre Kirchenglocken
und das ist meine Geschichte dazu:
Neunzehn
Ich ging schweigend. Der Wind fuhr mir heftig ins Gesicht und meine langen schwarzen Haare zerzausten. Ich ließ es zu. Der kalte Wind tat meinem Gesicht gut, das zu warm war.
Obwohl ich mich nicht angestrengt hatte, fühlte ich mich kraftlos und müde. Ob noch andere Gefühle vorhanden waren, weiß ich nicht mehr genau. Doch kann ich mich an das laute rauschen des Windes und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit erinnern und an eine Gewissheit, die es von nun an gab und keiner würde sie erträglicher machen können.
Ich ging, ohne auch nur die Spur einer Ahnung zu haben wo ich hin ging oder wo ich hin wollte. Ein Teil von mir wollte schreien, sich auf den Boden werfen und sich von nichts und niemanden beruhigen lassen. Doch ein anderer Teil trieb mich voran, auch wenn mir der Sinn nicht klar war.
Um ehrlich zu sein, es war mir auch egal - zu diesem Zeitpunkt.
Heute frage ich mich oft, wie dieser Teil so stark gewesen sein konnte, um meinen Körper mit Leben zu füllen.
Was ein Wort eines Fremden über einen geliebten Menschen anrichten kann, ist beängstigend. Daran denke ich heute oft, wenn ich alleine bin.
Plötzlich bist du leer. Dein Herz setzt einen Moment lang aus und dann scheint es dir als wenn es jeden Augenblick aus deinem Körper springt, denn es rast und die Tatsache, dass du ruhig und tief atmest und versuchst einen klaren Gedanken zu fassen verschlimmert dies nur noch. Deine Gedanken kreisen ziellos durch deinen Kopf, wie ein Kartenspiel das neu gemsicht wird. Aber es ist kein Spiel. Es gibt keinen Gewinner nur Verlierer.
In den letzten Monaten hatte ich so viel Zeit mich darauf vorzubereiten, doch traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht.
Heute denke ich, habe ich mich nicht genug mit der „was-wäre-wenn-Situation“ auseinander gesetzt, obwohl es jedem klar sein musste, der dich leiden sah.
Hätte es mir geholfen? Und doch wäre ich bestimmt wieder zu spät gekommen. Ich hätte nicht mehr die Gelegenheit gehabt, mich von dir zu verabschieden.
Von Geburt an waren wir zu zweit, zur Überraschung aller gesund und im wahrsten Sinn des Wortes gleich. Oft fand ich es schrecklich, dass man mich mit dir verwechselte, oft wollte ich Einzelkind sein und oft wollte ich niemand anderen außer dich bei mir haben. Wir waren immer nur “die Zwillinge“, keine Individuen. Jetzt werde ich nur eine Tochter sein. Keine Schwester.
ie werden ich reagieren, wenn man mich jetzt mit meiner Schwester verwechselt?
Davor fürchte ich mich etwas.
Ein lautes Geräusch ließ mich aufsehen. Und zum ersten Mal, seit ich die Ärzte hinter mir gelassen hatte, dachte ich wieder. Das vor ein paar Sekunden noch sinnlose Geräusch entwickelte sich in meinem Kopf und erhält seinen Sinn. Es ist die Glocke. Die Glocke des Kirchturms. Warum haben mich meine Beine zu diesem Ort getragen? Das Geräusch erklingt noch einmal, voller Zufriedenheit und Segen.
Ist dies ein Zeichen für mich?
Thema: Neunzehn by Loona 